longterm

 

Düsseldorf, 17.01.2015

Eben bin ich über die Rheinkniebrücke gefahren. Auf der Suche nach dem Tagungsort finde ich einen Parkplatz am Kaiser-Wilhelm-Ring. Die Rheinwiesen liegen in gleißendem Licht vor mir wie eine grasbedeckte Schüssel. Desktop-Landscape. Größte Kirmes am Rhein. Ich habe noch etwas Zeit und es zieht mich da runter, näher ran ans Flussufer. Ich fühle hier Niemandsland und genügend Weite, um zu dieser frühen Tageszeit jeder Begegnung aus dem Wege gehen zu können. Auch das Licht hat Raum sich auszubreiten und zu spielen, mit den Wolken, den Bäumen, den Menschen und mit diesem Ding. Wie der Corpus callosum verbindet diese Rennbahn auf betongegossenen Stelzen zwei Hälften desselben Ganzen. Ein Verkehrsknotenpunkt ohne Kontakt, bleibt doch jeder auf seiner Spur. Der Koloss wirkt in seiner Künstlichkeit und Dimension wie ein Fremdkörper, ist zugleich jedoch auch ein wundervolles Kontrastmittel, das seine Erbauer erhöht und zugleich spielerisch relativiert. Mit dem Fluss will das freilich nicht gelingen, da er sich in seiner zeitlosen Autorität ganz unwillkürlich überordnet. Geduldig und gelassen kann er diese ganze Dekoration hinnehmen. Dass man ihm von seinem Garten gegenwärtig nur das gelassen hat, was ihm nicht zu nehmen war, ist ihm gleich. Wildheit und Dynamik des (Fut-)Urzustandes warten in stiller Gewissheit auf ihr Comeback. Der Fluss hat seine Kraft nie eingebüßt und seine Geheimnisse nie ganz preisgegeben. Im Verborgenen bleibt, was sich unter seiner Oberfläche abspielt, so wie ich für die Grundel auf seinem Grunde in einer unerklärlichen, fernen Welt lebe. Doch anders als sie bin ich Gast, nur zu Besuch, auf Stippvisite, wie all die anderen Frühaufsteher, Gassigänger, Läufer, Radler, Paddler. Die Rabenkrähen leben das ganze Jahr über hier am Fluss. Sie haben die nötigen Bordmittel, um sich diese Leere zu erobern, ohne sie umzugestalten. Ihnen haftet nichts Ephemeres an, ihre Präsenz hat Gewicht wie die Wahrheit. Archaisch wie der Fluss. Bruder und Schwestern. Verblüffend nur, dass niemand sie wahrzunehmen scheint. Ich folge dem Weg über die Brücke, überquere den Fluss und erreiche die belebte Rheinpromenade, Laufsteg und Sprungbrett für den Blick. Hier mache ich mich unsichtbar und genieße die wärmenden Sonnenstrahlen, während alles an mir vorbei strömt. Allmählich werde ich selbst zu Treibgut. Ich drifte weiter, über die Oberkasseler Brücke, zurück durch die Rheinwiesen, bis ein Blick auf die Uhr mich wieder ans Ufer spült.